Unser Leben steckt voller Herausforderungen – sei es im Beruf, im Alltag oder in unserem Inneren. Wünsche und Erwartungen begleiten uns ständig, während wir nach Zufriedenheit und Glück streben. Doch für viele scheint dieses Ziel heute immer schwerer zu erreichen.
Es gibt jedoch Ansätze, die dabei helfen können, besser mit Stress und Herausforderungen umzugehen. In einer losen Serie möchte ich Dir einige davon vorstellen. Den Anfang macht das zentrale Thema Selbstregulation.
Was ist Selbstregulation?
Selbstregulation beschreibt die Fähigkeit, das eigene Denken, Fühlen, Verhalten und die physiologischen Reaktionen (bewusst) zu steuern, um inneren und äußeren Anforderungen angemessen zu begegnen. Dieses Konzept spielt eine wichtige Rolle in der Psychologie, Neurowissenschaft und auch in der chinesischen Medizin. Es betrifft tiefgreifende Aspekte wie Selbstführung, Selbstwirksamkeit und die Verbindung von Körper und Geist.
1. Selbstregulation in Psychologie und Neurowissenschaft
In der Psychologie und Neurobiologie bedeutet Selbstregulation vor allem, das Nervensystem im Gleichgewicht zu halten – besonders in Stresssituationen. Traumatherapeutin Verena König betont, dass es dabei um die Fähigkeit geht, das eigene Nervensystem bewusst zu beruhigen, um im sogenannten „Window of Tolerance“ zu bleiben.
Das „Window of Tolerance“ beschreibt den Zustand, in dem wir handlungsfähig und präsent sind, ohne von Überforderung oder Lethargie blockiert zu werden. Wer diese innere Balance steuern kann, stärkt seine Selbstwirksamkeit und fühlt sich auch in schwierigen Situationen handlungsfähig.
2. Selbstführung – eine Erweiterung der Selbstregulation
Selbstführung ist eng mit Selbstregulation verbunden. Während Selbstregulation sich oft auf die Steuerung von Emotionen und physiologischen Prozessen bezieht, geht Selbstführung einen Schritt weiter: Sie umfasst die bewusste Lenkung von Zielen, Werten und Handlungen.
Ein regulierter Geist und Körper sind die Grundlage für effektive Selbstführung – sie ist gewissermaßen der nächste Schritt nach der Selbstregulation.
3. Selbstregulation als innere Stärke
Rick Hanson spricht in seinem Ansatz von der Entwicklung innerer Ressourcen. Der Ausgangspunkt ist die Frage: „Welche Stärke würde mir helfen, mit dieser Herausforderung besser umzugehen?“
Zum Beispiel: Bei innerer Unruhe können Entspannungsfähigkeiten wie Atemübungen oder Meditation den Unterschied machen. Selbstregulation ist eine Schlüsselressource, die uns befähigt, ruhig zu bleiben, uns selbst zu beruhigen und mit einem balancierten Nervensystem die Herausforderungen des Lebens zu meistern.
4. Die Perspektive der chinesischen Medizin und des Qigong
Die chinesische Medizin und Qigong bieten einen ganzheitlichen Ansatz zur Selbstregulation. Sie betonen drei Ebenen:
• Körper: Haltung, Bewegung und Spannungsausgleich fördern die körperliche Balance.
• Atmung: Atemtechniken regulieren das Nervensystem und stärken die Verbindung zwischen Körper und Geist.
• Geist: Meditation und Achtsamkeit beruhigen den Geist und schaffen Klarheit.
Diese traditionellen Ansätze korrespondieren überraschend gut mit modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Die Atemregulation z. B. findet Entsprechungen in der Atemtherapie und der „kohärenten Atmung“, die Herzratenvariabilität und Resilienz fördert.
5. Selbstkritik – die Schattenseite der Selbstregulation
Wichtig ist, Selbstregulation nicht mit Selbstkritik zu verwechseln. Während Selbstregulation auf Unterstützung und Ausgleich abzielt, kann übermäßige Selbstkritik in dysfunktionale Stressmuster führen. Eine konstruktive Selbstführung erkennt Schwächen an, ohne sie zu verurteilen, und sucht nach positiven Wegen, Herausforderungen zu meistern.
Fazit
Selbstregulation ist ein kraftvolles Konzept, das von der Regulation des Nervensystems bis zur bewussten Lebensgestaltung reicht. Sie verbindet moderne wissenschaftliche Erkenntnisse mit alten Weisheiten der chinesischen Medizin, die Körper, Atem und Geist harmonisch zusammenführen.
Diese Balance ist eine wertvolle Grundlage für Selbstwirksamkeit, Resilienz und ein erfülltes Leben – und ein erster Schritt, Herausforderungen im Alltag mit mehr Gelassenheit und Stärke zu begegnen.
Die drei Regulationen aus dem Qigong und Tai Chi
1. Regulation des Körpers
In der chinesischen Medizin bedeutet die Regulation des Körpers, durch bewusste Körperhaltung, gezielte Bewegung und Entspannung die Körperprozesse zu harmonisieren. Übungen wie stehende Meditation, langsame, fließende Bewegungen oder das Lösen von Verspannungen fördern den Fluss von Qi (Lebensenergie) und unterstützen die innere Balance.
2. Regulation der Atmung
Im Qigong spielt die Atmung eine zentrale Rolle und wird als Brücke zwischen Körper und Geist verstanden. Langsame, bewusste Atemtechniken – wie die Bauchatmung – lenken den Qi-Fluss, beruhigen das Herz-Kreislauf-System und fördern die Harmonie im gesamten Organismus. Eine ruhige, tiefe Atmung entspannt das Nervensystem und unterstützt so auch die körperliche und geistige Balance.
3. Regulation des Geistes
Die Regulation des Geistes zielt darauf ab, mentale Klarheit und emotionale Ausgeglichenheit zu fördern. Methoden wie stille Meditation, Visualisierung und Achtsamkeit helfen, den Geist zu beruhigen und von belastenden Reizen abzuwenden. Indem Du Deinen Geist ins „Hier und Jetzt“ bringst, entsteht innere Ruhe, die sich positiv auf das Nervensystem und den gesamten Organismus auswirkt.
Die drei Regulationen – eine positive Spirale
Die drei Regulationen arbeiten Hand in Hand und erzeugen eine kraftvolle Wechselwirkung:
• Ein ruhiger Körper ermöglicht eine entspannte Atmung und einen klaren Geist.
• Ein ruhiger Geist beruhigt den Atem und entspannt den Körper.
Mit jeder Übung verstärkt sich diese positive Spirale. Du kommst in eine immer tiefere Wahrnehmung von Körper und Geist, wodurch Deine Fähigkeit zur Selbstregulation nachhaltig entwickelt und gestärkt wird.
In diesem Video geht es um die Regulation des Körpers, der Atmung und des Geistes. Wie kann ich mit Störungen umgehen, um in Stille stehen zu können. Störungen gibt es im Außen und im Innen.