Der Frühling ist in der chinesischen Philosophie und Medizin die Jahreszeit der Leber und der Galle. Der Frühling entspricht der Wirkkraft oder dem Element des Holzes und steht für den Osten, den Morgen und somit dem Beginn von allem Neuen. Die Energie (Yang) beginnt sich im Frühling kraftvoll zu entfalten.
Im Chinesischen bedeutet das Schriftzeichen für Holz auch »Baum«. Das Schriftzeichen verweist auf die Entstehung des Lebens, auf Lebenskraft, Vitalität und auf Lebendigkeit hin und verweist gleichzeitig auf die Wurzeln, die ein Baum hat und damit verbunden auf dessen Stabilität. Die Kraft des Holzes und des Frühlings entfaltet sich nach dem Verständnis der fünf Wandlungsphasen, (auch Elemente oder Wirkkräfte genannt) nach dem Winter (Wasser-Element). Und wenn dieser Start nicht gelingt, dann sprechen wir oft von der sogenannten „Frühjahrsmüdigkeit“. Die Leber kommt der Aufgabe nicht nach, den Körper mit Energie zu versorgen.
Weiter steht das Holzelement für die Farbe Grün und den sauren Geschmack. Junges Holz steht für eine kraftvolle, aber auch biegsame Energie. Ausdehnung und Wachstum ist die Hauptbewegung. Klima und Wetter sind der Wind und unterstreichen die Energie, die in dieser Jahreszeit herrscht.
Der Funktionskreis Leber und Galle steht für die Fähigkeit sich Ziele zu setzen und diese zu realisieren. Die Kreativität und die Entschlussfreudigkeit gehören ebenso zu ihm wie die Tatkraft, die Geradlinigkeit und körperliche Schnelligkeit. Es geht jetzt um Wachstum, Planung, Entscheidung und Organisation. Das ist die Energie, die wir brauchen, wenn wir ein neues Projekt anfangen oder wenn wir etwas verändern wollen. Gleichzeitig ist dieser Funktionskreis auch für die Realisierung der Pläne zuständig. Hierfür steht vor allem die Gallen Energie. Wenn jemand mutlos ist, sagt ein chinesischer Ausspruch „eine faule Gallenblase zu haben“. So ein Mensch kann viele Pläne haben, aber es gibt keine Umsetzung.
Leber und Galle werden auch als General und den Feldherrn, bezeichnet und stehen für die Strategie, Planung und Umsetzung. Wenn wir in dem Bild bleiben, dann steht der Soldat für die Verteidigung des Landes, den Schutz. Und genau diese Energie stellt die Leber auch zur Verfügung. Die Leber mobilisiert die Kräfte im Fall von Herausforderungen und einem Stressgeschehen.
Und dann ist die Leber unser Entgiftungsorgan und wandelt giftige Stoffe in für uns harmlose um. In der TCM-Sicht sorgt die Leber für den reibungslosen Blutfluss und ist am Immunsystem beteiligt. Die Leber versorgt den Körper mit ausreichend Blut zur richtigen Zeit und am richtigen Ort. Ist dies nicht gewährleistet dann fühlen wir uns Energielos.
Im Körper drückt sich das Holz über die Sehnen aus. Die Sehnen sorgen dafür, dass wir kraftvoll sind und uns bewegen können. Die Sehnen sorgen auch für die Schnelligkeit von Bewegungen. Das morgendliche dehnen und räkeln ist Ausdruck für diese Energie. Nach dem Schlaf möchte sich der Körper wieder strecken und ausdehnen. Deshalb ist es sehr empfehlenswert sich für den Morgen eine kleine Einheit von Qigong zu reservieren.
Das Sinnesorgan ist das Auge mit dem Sehen. Die Emotionen sind Wut/Zorn/Aggression mit dem Ausdruck des Schreiens. Wut drückt hier auch gut das stürmische in dem Element Holz aus. Wut auch in der chinesischen Medizin als eine Kraft (Wirkkraft), die wir benötigen, um Herausforderungen anzugehen und um sich auch durchzusetzen. Wird die Wut eine dauerhafte Emotion, dann führt dies auch zu Krankheiten (siehe weiter unten).
Aus der Vorstellung der TCM ist das Holzelement gleichzeitig ist für die Regulation der Gefühle/Emotionen zuständig. Die Leber sorgt im Körper für den harmonischen Energie-Fluss.
Stress und Leber und Galle: Die angespannte Leber
Die Leber gilt als das Stressorgan schlecht hin. Sind wir einem Stressgeschehen ausgesetzt, dann ist die Leber gefordert, da sie entscheidend an der Bereitstellung von Energie beteiligt ist. Und unsere Stressreaktion ist schließlich in erste Linie dadurch gekennzeichnet, dass in kürzester Zeit so viel Energie, wie möglich und nötig zur Verfügung gestellt wird (sogenannte Flucht-Kampfreaktion).
Unser aktuelles Leben belastet Leber und Galle sehr stark. Ständig ist etwas zu tun, viele Störungen im Beruf und Alltag, Daueraktivität, Bildschirmarbeitsplätze und der ständige Handy-Konsum belasten die Augen und damit die Leber. Wir fühlen uns bedrängt, gehetzt und gleichzeitig geht vieles nicht voran oder verschlechtert sich (Verkehrssituation immer mehr Autos, die DB, die nicht mehr pünktlich und zuverlässig fährt….). Der Dauerstress führt zu schlechtem Schlaf insbesondere für viele in der Zeit von 23 Uhr bis 03 Uhr morgens. Die Zeit in der Galle-Leber sich eigentlich ausruhen sollen.
Die kraftvolle Energie der Veränderung braucht einen freien Fluss der Energie. Die Herausforderungen für die Holz-Energie sind deshalb Druck, Einengung und Stress. Die Leber spannt sich immer dann an, wenn uns Widerstände begegnen und bei uns eine Stressreaktion auslösen.
Für Stressbelastungen gilt wie immer: Stress wird zum Problem, wenn er chronifiziert wird. Dann wird unser Organismus immer aktiviert und bekommt nicht mehr die entsprechenden Pausen.
Wenn wir so gebremst und herausgefordert werden, dann kann die extreme Wachstumsenergie sich nicht mehr entfalten und das System gerät zunehmend unter „Dampf“. Dieser übermäßige Druck kann sich schnell in Wut und Ärger entladen, der sich an den Mitmenschen entlädt. Aufgrund von Ungeduld und Perfektionismus entstehen schnell Konflikte. Das junge, flexible Holz kann fest und hart werden oder verholzen – dann bricht es. Der Holz-Mensch neigt dazu, immer mehr zu machen und sich immer mehr zu verausgaben. Gefahr von „Burn-out“.
Ständiger Ärger kann auf die Leber schlagen und als typische Symptome Bluthochdruck, Tinnitus sowie Nacken- und Muskelverspannungen verursachen. Weitere mögliche Anzeichen sind gereizte Augen, Beklemmungszustände in der Brust, und brüchige Nägel. Es kann eine Unverträglichkeit von fettigem Essen vorliegen und eine Neigung zu Bauchschmerzen. Sind Leber und Galle geschwächt, dann können die Gefühle schlecht(er) reguliert werden.
Aus westlicher Sicht wird die Leber durch Stress belastet, denn ist das Stresshormon Cortisol dauerhaft erhöht, wird mehr Fett in die Leber eingelagert – langfristig kann Stress somit z.B. die Entwicklung einer Fettleber fördern.
Aussprüche zu Leber und Galle:
„Dir ist wohl eine Laus über die Leber gelaufen“; „Gift und Galle spucken“; „Wieder klarsehen (Wissen wo es lang geht)“; „Vor Wut blind sein“, „Da kommt mir die Galle hoch“,; „ich bin sauer“.
Gesunde Leber-Galle, entspannter General und Feldherr
Für ein gesunde Leber braucht es in unserem Leben Anspannung und Entspannung. Aktivität, Entfaltung aber eben auch entsprechende Ruhezeiten.
Deshalb hier ein paar wichtige Tipps:
1. Für ausreichend Schlaf sorgen. Entsprechend versuchen früher ins Bett zu gehen. Gallenblasenzeit ist von 23:00 – 01:00 Uhr und Leberzeit von 01:00 – 03:00 Uhr. In dieser Zeit ist guter und tiefer Schlaf besonders wichtig.
2. Auf die Ernährung achten und tierische Fette, Zucker, zu viele Kohlenhydrate und stark verarbeitete Nahrungsmittel reduzieren. Auch Alkohol sollte reduziert werden. Die Leber priorisiert nämlich immer die Alkoholentgiftung vor den anderen Entgiftungen.
3. Jetzt im Frühjahr frische grüne Kräuter essen.
4. Regelmäßiges morgentliches Dehnen z.B. mit den Aufwärmübungen aus dem Qigong Programm
5. Für ausreichend Entspannung sorgen. Meditationsübungen, wie das anfängliche Stehen im Qigong und Tai Chi praktizieren. Regelmäßig eine Qigong oder Tai Chi Einheit machen.
6. Im Geist sich verändern und gut überlegen über was Du Dich aufregen willst.
7. Versuchen in vielerlei Hinsicht von Haltungen und Ideen loszulassen. Akzeptieren, dass es Dinge gibt, die wir (zumindest für diesen Moment) nicht ändern können.