Das Erste, was wir tun, wenn wir auf die Welt kommen, ist atmen. Im Alltag nehmen wir unsere Atmung kaum noch wahr, da sie vollkommen automatisch funktioniert. Dabei ist die Atmung so wichtig für unseren Körper, bringt sie schließlich Sauerstoff ins Blut. Ein weiterer Aspekt der Atmung ist die Auswirkung auf unser Denken. Die Atmung, das zeigt die wissenschaftliche Forschung, beeinflusst unser Denken! In der Chinesischen Medizin steht die Lunge auch für den Lebensrhythmus. Es scheint für uns also wichtig zu sein, richtig zu atmen.
Tagtäglich atmen wir zwischen 10.000 bis 20.000 Liter Luft ein und aus. Ein Erwachsener atmet ca. 2.000 Liter Sauerstoff ein. Bei einer zu flachen und verkrampften Atmung reduziert sich diese Menge deutlich. Durch unseren Lebensstil wird die Atmung vernachlässigt. Viele atmen nur sehr oberflächlich und nicht mehr tief bis in den Bauch hinein. Dies liegt unter anderem am vielen Sitzen, welches das Zwerchfell verspannt und damit den Bauchraum zusammendrückt. So ist nicht mehr genügend Platz für die tiefe „Bauchatmung“. Auch der ständige Stress im Alltag führt dazu, dass wir unserer Atmung keine Beachtung schenken, flach und zumeist zu schnell atmen. Deshalb ist es so wichtig, wieder die tiefe Bauchatmung zu üben (siehe Übung).
Atmung beeinflusst unser Denken und Gehirn
Die Lunge als Versorger mit Sauerstoff? Ja, aber unsere Atmung, unsere Lunge hat auf noch viel mehr Einfluss. Denn: unsere Atmung ist direkt mit unserem Gehirn und Bewusstsein verbunden. Das merkt jeder, der einfach mal tief ein- und wieder ausatmet. Der Spruch „Erst mal tief durchatmen!“ kommt nicht von ungefähr. Verwendet wird er meist, wenn jemand im Stress ist, wütend oder verletzt. Durch tiefes Atmen fällt es uns leichter wieder zurückzukommen in den Moment und wieder einen klareren Kopf zu bekommen.
Wer einmal gelernt hat, bewusst und besser zu atmen, soll auch besser denken können. Stimmt das?
"Die Wissenschaft sagt auch hier: ja – sehr wahrscheinlich sogar! So konnte eine Studie an der Universität in Peking im Jahr 2017 zeigen, dass richtiges, langsames Atmen dabei hilft, bei schwierigen emotionalen oder kognitiven Herausforderungen einen klaren Kopf zu behalten. Dieser Effekt scheint sogar unmittelbar nach einzelnen Übungen einzusetzen“ (1).
Weitere Studien stützen diesen Zusammenhang von Atmung und Geist.
- Langsames Atmen scheint die neuronalen Aktivitäten in der Großhirnrinde mit der Atmung zu synchronisieren. So verbessert sich der Austausch verschiedener Hirnareale miteinander.
- Langsames Atmen hilft dabei, einen „kühlen“ Kopf zu bewahren.
- Langsames Atmen hält das Gehirn jung. Die Ausschüttung der für das Wachstum von Nervenzellen wichtigen Hormone wird gefördert.
Lunge – Atmung und die Chinesische Medizin
In der chinesischen Medizin ist die Lunge zuständig für den Rhythmus, für die rhythmische Ordnung des Menschen. Sie sorgt für unsere Struktur und damit für die Lebensbasis. Die Lunge gilt als Ursprungsort des Qi, also unserer (Lebens)energie. Da zur Lunge auch die Haut gehört, wird klar, dass es um die Verbindung mit dem Außen geht. Kann ich in den Rhythmus kommen? Kann ich mit gut abgrenzen? Und kann ich Dinge an mich heranlassen? In unserer schnelllebigen Zeit kommen wir schnell außer Atem, das ist nicht weiter erstaunlich. Damit wird es jedoch auch immer schwieriger, verbunden zu bleiben.
Atmung im Tai Chi und Qi Gong
Die Bedeutung der Atmung ist in Bezug auf die oberen Informationen schon fast selbsterklärend. Zunächst einmal wird die Aufmerksamkeit auf die langsamen Bewegungen gebracht. Durch die ruhigen Bewegungen beruhigt sich auch die Atmung.
Beruhigt sich die Atmung, wird auch der Geist ruhiger. Bereits nach den ersten Praxiserfahrungen kann man schon Auswirkungen in puncto Ruhe und Gelassenheit bemerken.
Bei längerer Praxis im Tai Chi und Qigong kommt noch die bewusste Achtsamkeit auf die Atmung hinzu. Zunehmend wird die tiefe Bauchatmung praktiziert und in einem weiteren Schritt die tiefe umgekehrte Bauchatmung.
Mit der Praxis von Qigong und Tai Chi kommst Du somit immer mehr im hier und jetzt an. Die Atmung verankert Dich immer stärker in einem ruhigen und stabilen Zustand.
Eine Atemübung, die Du jederzeit für Dich anwenden kannst
- Setze Dich möglichst gerade auf einen Stuhl, spüre Deine Sitzhöcker, Kinn etwas heranziehen, Rücken aufgerichtet
- Lege Deine Hände auf den Bauch, 1-2 Finger sollten sich gerade so berühren
- Atme nun zunächst einmal tief aus!!!
- Versuche dann tief in den Bauch einzuatmen, so dass sich Dein Bauch nach außen wölbt. Dabei lösen sich die Finger ein wenig voneinander.
- Dann atme wieder tief aus und der Bauch wird wieder etwas flacher. Wie ein Luftballon, der sich immer wieder mit Luft füllt und leert.
- Achte auf eine aufrechte Körperhaltung.
- Atme möglichst durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus.
- Nach ein paar Atemzügen spüre in Deinen Geist und beobachte, ob dieser ruhiger geworden ist.
Diese Übung kann Dir helfen, einen ruhigen tiefen Atemrhythmus zu bekommen und dabei zu beobachten, wie sich Körper und Geist synchronisieren und somit in einen ruhigeren Zustand kommen.
- Klar atmen, klar denken? Wie deine Atmung dein Denken beeinflusst, Perspective Daily, 17.02.2020
In letzter Zeit höre ich immer öfter, dass viele erschöpft sind und sich irgendwie nicht mehr erholen können. Auch in den Medien wird immer wieder darüber berichtet, dass bestimmte Berufsgruppen, wie etwa Mitarbeitende von Kitas und Schulen von verstärkter Erschöpfung betroffen sind. Das ist auch verständlich, da oft diese Berufsgruppen (und natürlich insbesondere die Menschen, die im Gesundheitswesen gearbeitet haben oder arbeiten) sehr viel mehr leisten mussten während der Pandemie. Gleichzeitig mussten wir allgemein mit sehr viel Unklarheit und Unsicherheit umgehen. Neue Herangehensweisen und neue Lösungsansätze mussten gefunden werden.
So ist auch nicht so verwunderlich, dass mehr Menschen denn je in Deutschland über Stressbelastungen klagen. So kommt die Studie „Entspann dich, Deutschland“ der Techniker Krankenkasse zu recht beeindruckenden Zahlen:
64 Prozent fühlen sich mindestens manchmal gestresst und 36 Prozent sogar häufig. "Es zeigt sich, dass der subjektiv empfundene Stress bei den Menschen in den vergangenen Jahren noch einmal signifikant zugenommen hat", so Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK. "Im Vergleich zu unserer ersten Studie von 2013 verzeichnen wir bei den häufig Gestressten einen Anstieg um 30 Prozent.“
Stress und verlängerte Stressphasen haben oft schwerwiegende Folgen, aber auch kürzere Stressphasen zeigen bereits eine Wirkung bei uns: "Neben körperlichen Beschwerden wie zum Beispiel Rückenschmerzen, Kopfschmerzen und Magenbeschwerden kann Dauerstress auch auf die Psyche gehen. Die Bandbreite reicht bis hin zu Erschöpfung und Depressionen", betont Baas.
In der Studie gaben 80 Prozent der häufig Gestressten an, unter Erschöpfung zu leiden. Weitere Symptome sind Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Niedergeschlagenheit und in besonders starken Fällen Depression. Dies spiegelt sich auch in der Entwicklung des Krankenstandes in Betrieben wider. Der Anteil an psychischen Erkrankungen – Erschöpfung gehört mit dazu – liegt bei 20 Prozent und hat somit den höchsten Anteil.
Sicher ist für die nächste Zeit: Die Herausforderungen werden andauern. Corona scheint erst einmal weiter zu bleiben, politische Konflikte bleiben bestehen, große Probleme, wie der Klimawandel werden nur halbherzig angegangen. Dazu kommen aktuell noch steigende Preise für Lebensmittel und Energie.
Wichtig ist die Erkenntnis, dass zwar die genannten Konflikte sich im Außen abspielen und das auch im Außen Lösungen gefunden werden müssen aber diese Herausforderungen auch in unserem Inneren, in unserer Psyche wirken.
Ängste, Sorgen und Nöte stellen aus der Sicht der Chinesischen Medizin für unseren Körper und Geist eine enorme Belastung dar. Es ist, als ob die ganze Zeit an Deinem Energievorrat genagt wird. Das Qi wird verbraucht, ohne dass Du Dir dessen bewusst bist. Diese Erkenntnis der Chinesischen Medizin wird auch durch die Stressforschung gestützt. Stress spielt sich in unserer Psyche ab, wirkt aber auf unseren Körper. Wir haben einen anderen Hormonmix, einen nicht normalen Energieverbrauch, höheren Blutdruck etc.
Deshalb ist es auch sehr wichtig auf einen Ausgleich zu achten. Dabei sollten alle Ebenen berücksichtigt werden. Ganz Chinesisch könnten wir sagen: Körper, Qi und Geist müssen gepflegt werden.
Der Körper wird gepflegt durch gute Ernährung, genug Schlaf und ausreichende Bewegung etc. Das Qi will gepflegt und gesammelt werden durch Nahrung aber auch gute Atmung und natürlich Qi-Übungen. Und last but not least wird der Geist (shen) gepflegt, indem wir bspw. Nachrichten in sinnvollen Maßen konsumieren, lernen abzuschalten, uns immer wieder zentrieren, eine positivere Sicht auf die Dinge gewinnen und einiges mehr.
Für die andauernden Belastungen braucht es also einen Ausgleich und einen zunehmend anderen Umgang mit dem eigenen Leben. Die gute Nachricht ist, dass dies schrittweise erlernbar und ins Leben integrierbar ist.
Hilfreich ist zunächst, eine achtsame Wahrnehmung zu entwickeln, so dass Du die Energieräuber früher wahrnimmst und entsprechen schneller reagieren und Dich schüzten also für Dich selbst sorgen kannst.
Wichtig ist außerdem, dass Du Dir bewusst Auszeiten einrichtest, in denen Du für einen Ausgleich sorgst und Dich wieder regenerierst. In dem Film stelle ich eine Meditation vor, mit der Du Dich „erden“ kannst. Solche Meditationen ermöglichen Dir, besser zur Ruhe zu kommen, aktiv zu entspannen und gleichzeitig Deinen Geist, und Deine Psyche neu auszurichten. Das Gefühl geerdet zu sein, kann Dir Stabilität verleihen, um künftig anders mit Herausforderungen umzugehen.
Ein wichtiges Ziel in der daoistischen Tradition ist es, sich immer mehr als Mensch zu entwickeln. Immer besser zu werden in der Arbeit mit dem eigenen Geist. Wichtige Fähigkeiten sind z.B. Loslassen, Wahrnehmung, Weisheit, Herzensgüte, Mitgefühl, Dankbarkeit, … .
Ich persönlich finde den Ansatz von Rick Hanson sehr hilfreich und wirksam bei der Arbeit mit dem eigenen Geist. Deshalb werde ich diesen Aspekt zunehmend in die Kurse einbauen und mit der Lebenspflege aus dem Qigong und Tai Chi verbinden.
Wenn Du daran interessiert bist, weiter in Deiner Entwicklung voranzukommen, dann gibt es ab September wieder viele Kursangebote. Neben den „klassischen“ Qigong- und Tai Chi Kursen und Bildungsurlauben, wird es auch ein Training „Resilienz stärken – mit positiver Neuroplastizität innere Stärken entwickeln“ geben.